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2022
Von oben nach unten lesen
Da irgendwo hin.
In die Richtung.
30. April 2022, Greifswald
Jedes Boot braucht einen Namen. Der muß mit reichlich Champagner befestigt werden. Von einer Jungfrau, damit das Schiff nicht sinkt oder gegen einen Eisberg fährt. Oder beides.
Die Jungfrau darf auch keine roten Haare haben und kein grünes Kleid, weil das den Klabautermann aus den Tiefen des Meeres (oder des Bootes) anlocken könnte.
Die ganze Familie kommt, ...
... weil es Fischbrötchen gibt.
17. Mai 2022, Greifswald
Ich bin einfach mal losgefahren. Generalkurs SW.
Keine große Verabschiedung, kein Theater. So als ob man morgens zur Arbeit geht. Der Wind kommt aus E und Peter hat Zeit und Lust, ein paar Tage mitzukommen. Also los.
Karl fährt mich mit dem Auto nach Greifswald, mit dem Boot nach Stralsund und das Auto wieder nach Hause.
Die Wiecker Klappbrücke öffnet, die Sonne scheint, der Wind bläst mit 5 Bft.
Die theoretische Rumpfgeschwindigkeit wird mühelos überschritten.
Auch die Ziegelgrabenbrücke in Stralsund öffnet, Peter kommt mit Rinderfilets und Champagner an Bord, wir ankern vor Hiddensee und genießen alles inklusive Sonnenuntergang.
19. Mai 2022, SW-lich von Fehmarn
Die ersten beiden Segeltage verlaufen gut, alles scheint zu funktionieren. Verluste: ein Reißverschluß.
Gestern sind wir buchstäblich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Vorwind gesegelt (bis auf die letzte Stunde, dann ist der Wind schlafen gegangen). Die Alex dümpelt trotz größerer Segelfläche auch nur.
Nach der Fehmarnbeltbrücke links geht's zum Ankerplatz mit Bratkartofeln und Sülze.
Heute früh nur Wind von 6-7 Uhr. Dann Motor. Das gibt Gelegenheit, mal den neuen Wassergenerator zu testen.
19. Mai 2022, Kiel
Wir segeln und motoren nach Kiel, Peter muß nach Hause. Das hat meinen ersten Einhandanleger zur Folge, Gott sei Dank sind der Hafen und das Wetter prädestiniert für ein kleines Erfolgserlebnis. Auch das neue Klappfahrrad wird ausgepackt und getestet, man kann damit wunderbar Lammkoteletts und Ersatz-Reißverschlüsse holen.
20. Mai 2022, Flemhuder See (am NOK)
Nach einem Spaziergang in die Innenstadt Kiels (irrelevant) und einem erfolgreichen Besuch eines "1,10€-Ladens" besichtige ich mit Peter und Corinna die GERMANIA VI, die Yawl von Alfried Krupp von Bohlen und Hallbach. Ein Stahlschiff aus den 60er Jahren. Das ist beeindruckend, aber ich habe kein Handy für Fotos dabei.
Nachmittags schleusen wir in den NOK.
Nach knapp 10nm fahren wir an einem Ankersee vorbei und beschließen, dort zu übernachten. Es sind dicke Dalben für die Großschiffe da, wir binden uns zwischen zwei davon. Es regnet die ganze Nacht.
22. Mai 2022, Cuxhaven
Gestern war der NOK fällig, das Wetter paßte, Starkwind und Schauer von vorn, Gülleduft vom Ufer. Von Brunsbüttel selbst habe ich keine Fotos gemacht, das will man nicht sehen. Die Schleuse ist groß und erüllt ihren Zweck.
Dafür gibt es heute Sonnenschein, erträgliche Temperaturen und leichten Kreuzwind mit starkem Schiebestrom nach Cuxhaven. Wegen des Bewegungsmangels und weil P&C zum Zug nach Hause müssen, noch einen längeren Spaziergang zu den Auswandererhallen (paßt ja auch).
Der Liegeplatz ist günstig zum Ablegen morgen, gleich am Eingang. Ich putze noch ein bißchen am Boot rum und versuche, mich auf meine neue Situation als Einhandsegler einzustellen. Erstmal in Hinblick auf das alleinige An- und Ablegen und die richtige Taktik dazu. Die mentale Aufarbeitung des Themas muß noch warten. Dazu habe ich auf Helgoland mehrere Tage Zeit, morgen soll mich ein schöner Südost dorthin tragen, dann verspricht der Wetterbericht 4 Tage Urlaub wegen Starkwind aus West.
23. Mai 2022, Helgoland
Der kleine Einhandsegler auf dem großen Meer. Helgoland ist schließlich eine Hochseeinsel, und da fahre ich heute hin. Der Wind kommt mit 4-5Bft. von achtern, ich will die Passatbesegelung testen, d.h. Genua zur einen und Selbstwendefock zur anderen Seite ausbaumen. Letztere bedarf einer Hilfsschot, wie ich nach längerem Basteln und Überlegen herausfinde, aber damit geht's guat. Für die Windstärke ist die Segelfläche so optimal, daß sich in Kombination mit Sonnenschein und leichter Welle ein Dauergrinsen in mein faltiges Gesicht frißt.
Dann der erste Einhand-Hochsee-Anleger: Rechtzeitig alles runter, Bäume verpacken, Motor an, im Vorhafen das ganze Geraffel an Reling und Klampen basteln und ran an den dicken 15m-Alu-Kollegen, der sieht am stabilsten aus. Die Hafenmeisterin kommt blitzartig angeradelt und weist freundlich darauf hin, daß hier nur Schiffe mit mind. 15m Länge anlegen dürfen. Zu klein gekauft. Also wieder weg und 2 Päckchen weiter in die Ecke. Klappt auch. Jetzt bin ich der Dritte in einem Viererpäckchen und werde ruckartig nach allen Seiten gezogen. Die Achterklampe backbord wackelt. Das darf nicht sein, muß mich morgen gleich mit der Werft auseinandersetzen.
Der erste Spaziergang führt mit dem ganzen Leergut zum EDEKA. Aber die nehmen nur Flaschen an, die sie selber verkauft haben. Für diese Erkenntnis muß ich vorher noch eine FFP2-Maske erwerben und aufsetzen. Die Helgo-Insulaner sind kurz davor, meine Lieblings-Fischköppe zu werden. Der zweite Spaziergang führt mit dem ganzen Leergut zum Schiff. Werde mich der Insel morgen auf andere Weise nähern und zum Lummenfelsen wandern. Dessen Bewohner sind sicher sehr sympathisch. Da eine längere Starkwindphase aus West angesetzt ist, brauche ich einen Zugang zum Eiland.
24. Mai 2022, Helgoland
Den Lummenfelsen hab ich heute nicht geschafft. Ich mußte bunkern (Bier und ähnlich wichtige Verproviantierung, bei Manfred Engel Schiffsausrüstungen Groß- und Einzelhandels KG) und Diesel kaufen (150l in Kanistern, bei Jörn Rickmers GmbH). Beides sind echte Originale der Helgoländer Geschäftswelt. Wieder mit Maske und dem Hinweis, daß die Leih-Kanister (meinen eigenen fehlte die alles entscheidende eingravierte BAM-Nr.) umgehend zurückzubringen seien, auch wenn es in Strömen gießt und der Diesel nur im 1:1-Wassergemisch in den Tankstutzen zu bekommen wäre. Naja, irgendwann scheint wieder die Sonne. Der Innerste im Päckchen will aber noch im strömenden Regen ablegen, okay, ich muß das auch unter widrigsten Bedingung können und dafür üben.
Der nächste Annäherungsversuch an die Insulaner findet mit Eierpunsch statt, danach bin ich reif für ein inseltypisches Abendessen.
Im Sonnenschein geht's. Aber windig isses. Von vorn.
25. Mai 2022, Helgoland
Ich hab's doch geahnt: auf der ganzen Insel nur Schafsköpfe, Trottel und Tölpel.
Na gut, die Lange Anna ist auch noch da.
Und ein paar Kleingärtner.
Die Nachbarn sind alle weg, die wollten nicht nach Westen.
Heute habe ich die letzten Dieselkanister eingefüllt, das sollte erstmal reichen. 1,60€ der Liter, geht noch. Ein paar andere Kleinigkeiten hab ich auch besorgt, dazu bin ich dreimal die Treppen ins Oberdorf gestiegen, das ist für Seglerbeine nicht verkehrt.
Bei den Eingeborenen ist das wohl nicht so beliebt (es gibt einen Fahrstuhl), die sind mehr so beleibt. BMI's jenseits der 30 und skurrilste Körperformen sieht man häufig. Die körperliche Arbeit wie das Bauen von Häusern oder Festzelten und Bühnen wird von kleinen schlanken Männern mit dunklem Teint und schwarzen Bärten ausgeführt, die untereinander in mir völlig unbekannten Sprachen kommunizieren.
Helgoland ist beliebt! Meine einsame Phase währt nur wenige Stunden, bis zur abendlichen Schauerbö.
Dann kommen neue Gäste und ich muß raus in den Regen. Gott sei Dank habe ich schon genachtmahlt.
27. Mai 2022, Helgoland
Heute ist Großeinsatz für die Nähmaschine, sie produziert eine Abdeckung für die Steuersäule. Noch etwas stümperhaft und mit merkwürdigen Falten, sie scheint mir so ein Möchtegern-Amateur zu sein.
Außerhalb des Cockpits hauptsächlich viel Wind, auch viel Regen im Wechsel mit Sonnenschein. Im Schiff Reinigungs- und Hygienemaßnahmen im Wechsel mit Fitneß-Übungen und Power-Stairway-Workouts outdoor.
28. Mai 2022, Helgoland
Sturm, Regen, Wolken, 11°C. Na toll.
Aber: Habemus calor! Quod habemus Dieselheizung sinense.
Und viele neue Schäkel sinense hammer auch, der Dieselverkäufer hat die für 0,70€ bis 2,80€ pro Stück im Angebot, wie ich heute festgestellt habe. Zuhause kosten die mindestens das Zehnfache. Es entsteht beim Profishopper sofort das wohlige Gefühl der Ersparnis, obwohl doch eigentlich Geld weg ist.
29.05.2022, Helgoland
Mein letzter Tag auf der Insel, wenn nichts dazwischenkommt. Heute hat der Wind schon nachgelassen und rechtgedreht, morgen sollten auch die Wellen etwas niedriger sein. Leider ist der Wind für morgen auch sehr niedrig angesetzt, aber bis Norderney werde ich irgendwie kommen.
Habe bei meinem letzten Spaziergang noch eine typische Helgoländer Spezies angetroffen: faule Säcke.
30. Mai 2022, Norderney
Das ist mein Wind. Aus 7kn Windgeschwindigkeit macht das Schiff über 5kn Bootsgeschwindigkeit! Und aus 11°C Außentemperatur bei Sonneneinstrahlung 29°C, angenehm. In der Hafeneinfahrt ist aber Schluß mit angenehm, die angegebene Mindesttiefe von 2m wird nicht gewährleistet, wir legen schon 50m vor der Box an. Mit dem Kiel im Modder. Aber es ist Flut, das Wasser steigt und die 57PS vom Yanmar pflügen durch den Grund.
31. Mai 2022, Norddeich
Heute ist der Tag, auf den ich lange gewartet habe und lieber noch länger gewartet hätte. Aber es war klar, daß er kommen mußte. Trotzdem ist es entsetzlich, ich habe die erste Schramme ins Boot gefahren. Eigentlich bin ich's gar nicht selber gewesen, es war meine Crew, der Schlendrian und der Liederjan. Eigentlich wollt ich die gar nicht mitnehmen, aber sie haben's doch auf's Boot geschafft.
Kurz vorm Ablegen die Heckleine nur kurz über die Klampe werfen, geht ja gleich weiter, und dann die Idee, doch die Route in den Compi einzugeben - damit ja nichts passiert. Und in der Zeit löst sich die Heckleine und wir stehen schräg in der Box, Bug zum Betonsteg. Päng. Schramme am Vorsteven.
Dann bin ich tief ins Wattenmeer eingedrungen, nach Norddeich auf's Festland. Nach 50 Betriebsstunden muß laut Garantiebedingungen ein Motorservice gemacht werden und hier gibt es eine Yanmar-Partnerwerkstatt, die auch morgen früh anrücken will. Die Gelegenheit muß ich nutzen, guter Ostwind hin oder her.
Ich versuche ein neues Anlegemanöver, rückwärts mit dem Wind in die Box. Da kann am Bug nichts passieren. Ich nehme die Box, die am besten abgefendert ist. Gut gemacht.
Der Hafen hat Leihfahrräder inkludiert, damit fahre ich in die City. Es gibt bewußt keine Bilder.
Watt ist hier die größte Attraktion?! Nachdem ich solide Fußduschen am Ufer entdeckt habe, entschließe ich mich zusammen mit einigen emsigen Austernfischern sowie zwei kreischenden Schulklassen zu einer Wattbegehung. Das Boot stellt sich auch rein, ihm fehlt einfach die Tiefe.
01. Juni, Borkum
Nach Borkum fliegt der Schmetterling. Leider ist schon alles besetzt, ich nehme einen Liegeplatz mit rot umrandetem Schild, die sind noch frei. Ich morgen wohl nicht mehr (wenn ich mich recht an meine Ausbildung zum Sportbootführerschein erinnere, hieß "EmSchEV" = Ernsthaft miese Scheiß-Einkerkerungs-Verordnung).
Der Service-Mann kam, sah und checkte. Erledigt.
Gegen Mittag kann ich noch los, der Weg nach Borkum ist 38nm lang. Die Abkürzung über's Riff bei Hochwasser funktioniert nicht, der Tiefenalarm piept. Also umdrehen und zurück (gegen den Ebbstrom), das kostet eine halbe Stunde. Überhaupt stimmen die Tiefenangaben der Karten und des Lots nicht wirklich miteinander überein.
02. Juni 2022, Borkum
Hier gefällt's mir. Der Hafen vielleicht nicht so sehr, aber es gibt Strom und es ist preiswert.
Viel mehr das Wetter! Temperaturen jenseits der 13°! Bis 17° gar!! Und Sonnenschein, aber auch ordentlich Wind aus dem Zielgebiet, deshalb bleibe ich einen Tag hier. Der ursprüngliche Plan einer Nachmittagskreuz (bestimmt im 2. Reff) mit abendlicher Ankerung im Gatt van Schiermonnikoog wird nach Konsultation mit Ralf, de oude Vlielander en de kennertje van het revieret, als zu risikoreich bewertet und verworfen. Stattdessen will ich mir morgen ab 06:00 Uhr einen 65nm-Ritt (mit Wind von achtern!) nach Vlieland antun.
Immerhin radele ich mit meiner Gehhilfe gegen den Wind in die City, das ist ähnlich wie im 2. Reff kreuzen. Heimwärts geht's viel besser.
Borkum City ist durchaus angenehm, auch die Dünenlandschaft am Weg findet meine Zustimmung.
03. Juni 2022, Vlieland (NL)
Es beginnt um 07:00 und endet um 07:00 (PM). Und es werden 75nm, der größte Teil mit achterlichem Wind und Schmetterling. Am Anfang sah es allerdings nach einem jähen Ende aus, denn da wo laut Karte 12m Tiefe herrschen sollen, piepst plötzlich der Tiefenalarm und der Grund kommt auf 1,50m nach oben (die scharfe Ecke in der Kurslinie). Das Piepsen veranlaßt mich zu einem kurzen Sprint ans Steuer, um den Gashebel komplett nach hinten zu reißen. Der Aufprall findet also nicht mit 6kn, sondern nur noch mit 1kn statt. Der Motor zieht das Boot auch sofort wieder runter vom Flach, das sich demnach da unerlaubt gebildet hat. Ich liebe die Nordsee.
Zum Schluß geht der Wind hoch auf 5Bft. und bringt mich beim Segelbergen und Einfahren in die Ansteuerungsrinne ordentlich ins Schwitzen. Aber alles klappt und ich liege auf den Fendern an einem alten Stahlschlepper im Waddenhaven.
04. Juni, IJmuiden (NL)
Bin nach 65nm (wie geschmiert bei NE 5 und Passatbesegelung) in IJmuiden und damit erstmal auf der gleichen Breite wie Berlin angekommen. Es macht auch einen sommerlichen Eindruck, Abendsonne bei 19°!
Ein riesiger Hafen, aber gemütlich isser nich... Bezahlt wird per App und Kreditkarte.
Immerhin gibt es Wasser aus dem Schlauch, das brauche ich dringend, um die Salzkruste von den Scheiben zu waschen.
05. Juni 2022, Scheveningen (NL)
Na watten Streß. Winddreher um die komplette Kompaßrose, und dann noch die große Pfingstregatta vor Scheveningen.
Und wie endet es? In strömendem Regen.
Und in einer viel zu kurzen Box, in die mich die Hafencrew zieht und schiebt. Direkt vor der lautesten Disko Hollands.
Ich muß erstmalig das Fenderbrett bemühen. Gut, daß es da ist!
07. Juni 2022, vor Zeebrugge (B)
Heute zieht es sich. 65nm sind es von Scheveningen nach Zeebrugge, die würde ich gerne schaffen, weil ab übermorgen wieder SW-Urlaub angesetzt ist. Also lege ich rechtzeitig und langwierig ab (der Wind drückt mich auf einen Pfahl, um den muß ich mich herumwinden) und kreuze dann noch gegen den Flutstrom auf, das bringt mich in einer Stunde dem Ziel 3nm näher. Der später einsetzende Ebbstrom ist irgendwie viel langsamer als der Gegenstrom und hält auch nicht volle 6h an. Bis 23:00 muß ich da sein, dann ist es dunkel. Natürlich machen die Holländer auf halber Strecke den Wind aus und später schicken mir die Belgier ihren schon mal entgegen. Viel Geduld Du haben mußt...
23:20 Uhr und 73nm sind es geworden. Slaap lekker!
09. Juni 2022, vor Blankenberge (B)
Bin wieder auf der Kreuz. Aber mit angenehmen 4 Windstärken, moderater Welle und Sonnenschein bei 16°. Den Urlaubstag gestern habe ich genutzt, um einen aktuellen "Reeds" (ein Almanach mit allen Häfen, Gezeiten, Strömungen und sonstigen wichtigen Informationen der gesamten europäischen Atlantikküste) und belgische Pralinen, Schokolade und Waffeln zu erwerben. Für Sightseeing sind Wetter und Zeebrugge zu grau und trist. Aber es gibt nachts wieder dieses fantastische blaue Meeresleuchten, das durch fluoreszierendes Zooplankton erzeugt wird, was wohl hier besonders häufig ist.
Neue Bekanntschaften habe ich auch geschlossen, die AGORA und die NAGO sind mit Ziel Portugal unterwegs und werden wohl noch öfter neben mir liegen. Außerdem gehören wir alle dem selben Segelverein an (Trans Ocean).
Die Wettervorhersage zeigt für die kompletten nächsten zehn Tage Windpfeile aus SW, also kann ich mir nur - so wie heute - die Tage mit den nicht zu heftigen Windstärken für kürzere Distanzen und Kreuzschläge raussuchen.
Besuch kriege ich auch, natürlich ist er nicht stubenrein.
Bei zum Schluß Windstärke 5 zeige ich mich aber tierfreundlich und nehme ihn trotzdem ein Stück mit.
10. Juni 2022, Dunkerque (F)
Bon soir, Mesdames et Monsieurs! Vive la France! Das macht doch gleich einen ganz anderen Eindruck hier. Man muß sich nur rein trauen, wenn man erst im Hafen ist, liegen die pharmazeutischen Betriebe in Lee.
Und heute wird erstmalig auf dieser Reise die 20°C-Marke geknackt! Kurze Hosen!! T-Shirt!!!
Die Stadt ist gar nicht so übel, ich nehme das Rad und finde große Häuser, Schiffe und Monumente. Auch einen Marineausstatter, eine Charcuterie (da fahre ich morgen nochmal hin!) und eine Boulangerie. Gemüse hole ich auch erst morgen.
Da ich wahrscheinlich bis Montag 0500 bleiben muß (SW-Urlaub), bittet mich der Hafenmeister, vom Gästesteg ins Innere zu verlegen. Alles okay, jetzt liege ich mit dem Heck zum Steg und gucke mir selbiges zufällig an. Der Schlag trifft mich voll, da ist ein Riesenloch an der Seite!! Und ich weiß nicht, woher. Das hätte ich doch mitgekriegt, wenn es hinten knallt. Une catastrophe ...-.
11. Juni 2022, Dünkirchen (F)
20,9°C, fast hätten wir es geschafft und einen neuen Hitzerekord aufgestellt. Irgendwelche Verrückte baden sogar schon im Hafen. Aber zum Radfahren ist es okay, ich fahre (natürlich) zum Baumarkt, der ist schön groß und abseits gelegen, hinter der Autohaus-Cite´, die wiederum die gleiche Fläche einnimmt wie die Cite´ von Dunkerque selber und wirklich ALLE Automarken beherbergt. Und zur Belohnung fahre ich dann noch zum Schiffsausrüster BLEU MARINE, der ist für seine Branche riesig und bestens sortiert und ich kaufe viele ganz wichtige Dinge, die ich vorher gar nicht gebraucht habe. Für Kinder gibt es Spielzeugläden, für Frauen Schuhläden, da kann es für mich auch was geben.
Die tolle Charcuterie hat dann aber leider schon zu, weil Samstag ist. Das ist echt schade, denn die Scheibe von der Pastete, die ich gestern geholt habe, enthält entgegen meiner ersten Annahme in der Mitte kein blasses Ei, sondern in Speck gehüllte Foie Gras. Sieht ähnlich aus, ist jetzt aber um so bedauerlicher.
Morgen soll der Wind immer noch von vorn, aber in gemäßigter Stärke kommen. Man könnte sich eine Kreuz antun, man könnte aber auch bis übermorgen warten, dann kommt er zwar von der Seite, weist aber gegen Mittag Löcher auf, die mit Diesel gefüllt werden müßten. Schwierig, schwierig ...
Es ist wirklich nicht klein hier, die Damentoiletten halte ich persönlich schon für etwas übertrieben.
12. Juni 2022, Boulogne sur Mer (F)
Bin im Englischen Kanal. Und dafür heute früh um fünf aufgestanden. Wie befürchtet, gibt es hier natürlich starke Tidenströme, die die Wendewinkel ganz plötzlich und ganz ungünstig beeinflussen. Und statt der angesagten 4 Windstärken gibt es natürlich 5 (von vorn). Das Kap heißt nicht umsonst Cap Gris Nez = Kap Graue Nase. Aber wir haben uns wacker geschlagen, das Boot mit dem zweiten Reff und ich mit dem zweiten Kaffee
Ich bin ja nun schon zum dritten Mal in Boulogne und immer wieder begeistert von dem Tidenhub. Und von dem speziellen Gericht, das ich bisher nur hier bekommen habe: Welsh Rabbit.
Boulogne ist auch nicht wirklich eine französische Stadt, mehr so eine Mischung aus Marokko und England. Man kann das an den Leuten auf der Straße sehen, hier mal der Beleg für die englische Fraktion (die Marokkaner habe ich mich nicht getraut zu fotografieren).
Die weißen Klippen vor Dieppe
13. Juni 2022, Dieppe (F)
Es gibt immer Tage, die die Mühsal der vorherigen ausgleichen. Heute ist einer davon. Ausschlafen, um 11:00 Uhr loströdeln, ab 13:00 Uhr Halbwind Stärke 3 und glattes Wasser, segeln wie im Prospekt. Über 7kn Bootsgeschwindigkeit und ab 14:00 Uhr ist auch noch die Macht mit uns, sprich die Strömung. Da kann man sich 50nm bis Dieppe gefallen lassen.
Gestern Abend kommt noch ein Pärchen junger Norweger mit einem alten Stahlkahn, legt sich mangels freier Stege zwischen mich und den Holländer nebenan und macht an unseren Booten fest. Heute vormittag sind die beiden ganz unbedarft in die Stadt entschwunden, der Holländer fährt los und macht den Norweger einfach bei sich ab. Ich bin hochgradig erfreut, als die Rostlaube nun auf mich zu treibt, keine Fender dran und bei mir auch nicht auf der Seite. Unglaublich, dem Holländer war das völlig wurscht, hätte er Bescheid gesagt, hätte ich mich gekümmert. MINDZERO (= "kümmer dich um nichts") heißt sein Kahn, selten gab es einen passenderen Bootsnamen. Eine alte Bavaria 49, einmal hab ich ihn beim Segeln überholt, sonst fährt er nur unter Motor. Na ja, ich habe den Holländer laut beschimpft und dann den Norweger geentert und mit einem seiner Seile irgendwo am Steg festgebunden. Etwas reumütig hat er mir dann beim Ablegen geholfen.
Die MINDZERO fährt natürlich die ganze Zeit mit Höchstgeschwindigkeit vor uns weg, aber ab 20nm vor dem Ziel fangen sie an zu segeln und werden langsamer. Als der Wind dann nachläßt und raumt und die Gegenströmung einsetzt, segeln sie immer noch, mit 2,5kn gegen 1,5kn Strom. Welch merkwürdiger Sinneswandel! Ich habe da schon den Motor zur Unterstützung an, damit ich noch vor Sonnenuntergang ankomme. Merkwürdig... Und plötzlich - ich hab's geahnt - räuspert sich mein Funkgerät und verlangt nach "sailing yacht RESOLUTION". MINDZERO hätte ein größeres Problem und würde es nicht in den Hafen schaffen, ob ich sie nicht abschleppen könnte. Ja, sicher, kann ich. Süper, süper, thank you very much! Die Leinenübergabe verläuft dann auch ohne Feindberührung und ich liefere sie - nach Sonnenuntergang - an einem Längsponton im Hafen ab. Thank you very much!
Zum Glück ist da noch ein viertel Baguette von vorgestern und warmes Wasser zum Duschen im Boiler.
14. Juni 2022, Dieppe (F)
Dieppe ist ein sehr schönes Städtchen, viel alte Substanz und eine richtige Hafenpromenade mit Restaurants und Kneipen. Tiefer drin der Dom, die Boulangerie, die Fromagerie und die Charcuterie. Wie sich das gehört.
Der Holländer von gestern abend liegt heute an meinem Steg! Dreimal darf man raten, was das Problem war. (Es fängt mit Di an und hört mit Esel auf.)
Er bedankt sich nochmal und will mir 50,-€ geben, aber das lehne ich ab. Stattdessen nehme ich als Zeichen meines guten Willens und seiner Dankbarkeit ein Sixpack Heineken (brrrrr). Er erzählt noch, daß sich die Küstenwache geweigert hätte, ihn abzuschleppen und ihm stattdessen geraten, draußen zu ankern. Und in den Hafen segeln sei verboten. Auch nicht übertrieben hilfsbereit.
14. Juni 2022, Fécamp (F)
Schee war's wieder. Unter Schmetterling bei glattem Wasser entlang der Alabasterküste. Beim Anlegen scheint es mir windiger als draußen. Und enger. Es wird knapp, aber et hett jraade nochma joot jejange...
Aus Fécamp stammt der berühmte Kräuterlikör Benedictine D.O.M., u. a. ganz wichtig für die Zubereitung eines Singapore Sling. Der Verkauf dieser Spirituose muß zu einem derartigen Wohlstand des Fabrikanten geführt haben, daß dieser sich - Ende des 19. Jahrhunderts war's - eine entsprechende Datsche hat bauen lassen. Inklusive Denkmal seiner selbst. Aber sieht wunderschön aus und macht was her. So etwas könnte der Jägermeister doch auch mal in Auftrag geben!
Ich gehe etwas landestypisches essen...
... und trinken. Muß mich aber noch an die Preisgestaltung gewöhnen: die Muscheln kosten 13,-€, das Bier 10,-€!
16. Juni 2022, Iles Saint-Marcouf (F)
Gestern habe ich in den Hafen Ouistreham geschleust und heute wieder raus. Das ist ein tidenunabhängiger Hafen, der am Kanal nach Caen liegt. Das Schleusen bedeutet schweren Streß für Schiff und Mannschaft. Und schwere Blessuren. Dabei habe ich die nächste Schramme gemacht (gleich neben der zweiten am Heck, jetzt ist es ein Abwasch). In Summe waren es laut Eigenanalyse vier Fehler meinerseits, die dazu geführt haben. Habe sie im Logbuch notiert.
Und heute quatsche ich beim Schleusen mit dem Nachbarn, der das Gespräch sucht und mir Kaffee anbietet, und passe nicht auf, anstatt den Festmacher zu fieren, den ich über die Winsch gelegt habe. Als ich wieder hinsehe, sind wir schon einen Meter tiefer und die Winsch wird mit lautem Knall skalpiert, weil der Festmacher nach oben wegfliegt.
So steht's um das Schiff. Meine Blessuren sind mehr seelischer Natur, aber auch sehr schmerzhaft.
Jetzt ankere ich zwischen den Inseln von Saint-Marcouf, weit weg von Menschen und Schleusen. Nur die Möwen und die Kegelrobben brüllen so hämisch...
18. Juni 2022, Cherbourg (F)
Wenn das Wasser hier kommt, dann kommt es zügig und reichlich. Dann sieht das Meer aus wie ein Gebirgsbach und von meiner Insel bleibt nicht viel übrig. Man kann dieses Ereignis natürlich im eigenen Sinne für anständige Geschwindigkeiten nutzen.
Cherbourg als eine der Hochburgen des französischen Segelsports bietet einiges an Möglichkeiten zur Reparatur (Montag soll jemand zum Gelcoaten kommen!) und zum Erwerb von protektiven Hilfsmitteln. Ab jetzt keine Schleuse mehr ohne meinen Kantenfender!
18. Juni 2022, Cherbourg (F)
Ein Rückfall! 13°C, Regen, Sturm. Das bedeutet diesmal nicht SW-, sonder NE-Urlaub. Eigentlich meine bevorzugte Windrichtung, aber mit 7 Bft. a bisserl heftig.
20. Juni 2022, Cherbourg (F)
Es wird! Nun noch ein bißchen Farbe und alles ist wieder gut.
Die Ersatzteile für die Winsch sind zwar noch nicht da, werden aber kommen. Ein neues Ankersegel hat der Segelmacher für mich angefertigt, das will ich in den nächsten 3 Tagen auf den Kanalinseln testen. Dann komme ich wieder zurück für die Restarbeiten und die Aufnahme von Crew. Das Wetter wird besser, die Sonne löst den Starkwind ab.
21. Juni 2022, Sark (UK)
Morgens um 0600 bin ich zusammen mit Ralf und seiner neuen Garcia 52 gestartet, um den Raz Blanchard (oder das Alderney Race) bei maximaler Geschwindigkeit zu nehmen, das hat auch geklappt und die CAPRICORN blieb achteraus. (!)
An der SW-Küste von Sark (eine der kleinen Kanalinseln) sind noch Mooringbojen frei, ich nehme eine. Die Gegend ist fantastisch, kein Schwell, dafür herrliche Aussicht auf grüne Felslandschaft. Es gibt Spaghetti mit Dicken Bohnen (vom Markt in Cherbourg) und Grünen Veltliner (von Manfred Engel KG auf Helgoland). Very good.
Das neue Ankersegel aus Cherbourg paßt genau und funktioniert auch.
Was leider nicht mehr funktioniert, ist das Lot (der Tiefenanzeiger). Das ziehe ich aus dem Schiffsrumpf (da kommt natürlich auch Wasser mit rein) und reinige es, aber das hilft nicht. Der Support der Firma rät zu einem Austausch des Teils (wieder 'ne Baustelle). Und die Tiefenanzeige ist nicht ganz unwichtig...
22. Juni 2022, Sark (UK)
Ein Sound! Ein Klang! So etwas Wunderbares habe ich noch nie gehört. So fröhlich, leicht und doch kraftvoll und zuverlässig. Ich meine das Knattern meines neuen Außenborders. Herrlich! Und das dazugehörige Dinghy (Talamex heißt es) habe ich demnach auch ausgepackt, aufgepumpt und zu Wasser gelassen, um einen Landgang zu unternehmen. Alles funktioniert.
Die Anlandestelle ist tidengerecht und anstrengend, aber die Insel selber ist wunderschön und entspannend. Maximal Trecker fahren hier rum und Pferdewagen. Beides nicht gesehen. Wenig los.
25. Juni 2022, Cherbourg (F)
Bin zurück von meinem englischen Ausflug. Der Weg führt wieder um's Cap de La Hague und damit durch den Raz Blanchard, frei übersetzt "Die erbleichende Flut". Und so ist es diesmal auch, die Wasserfarbe und die Gesichtsfarbe gleichen sich plötzlich an, in Richtung sehr blond. Dabei ist die Strömung mit 6kn gar nicht mal auf ihrem Spitzenwert, der liegt bei 9kn. Trotzdem schießt das Boot mal in die eine und die andere Richtung (Wasserwirbel!), aber niemals dahin, wohin der Bug zeigt. Cave: Beim nächsten Mal: noch mehr Abstand zum Kap!
Hier in Cherbourg schließe ich dann noch restliche Gelcoatarbeiten ab und forsche am Dieseltank nach, ob dieser nach 3 Wochen Benutzung immer noch die angezeigten 100% beinhaltet. Okay, fast voll. Allerdings stürzt mir dabei die Ratsche in eine Spalte neben dem Tank, wo sie auch mit aufopferndem Einsatz nicht mehr zu erreichen ist. Wohl aber mit dem Teleskopmagneten des hilfsbereiten Nachbarbootes. SOWAS brauch ich auch!
27. Juni 2022, Cherbourg (F)
Da ist noch ein Problem. Es äußert sich durch Wasseraustritt in den Salonmöbeln. Jetzt finde ich die Eintrittsstelle: die Dichtung unter der Frontscheibe ist über 40cm durchgerissen. Eine arbeitsbereite Servicefirma finde ich zum Glück auch, die die Fuge auskratzt und neu verklebt. Wieder ein Garantiefall. Und so, wie die Scheibe aussieht (mit Ablösungen im Verbundglas), kein kleiner.
Obwohl der Hafen regelmäßig von dicken französischen Fregatten kontrolliert wird, gelingt es Maman und Karl, sich an Bord eines alten Sklavenhändlers einzuschmuggeln und die RESOLUTION zu besteigen.
28. Juni 2022, Braye (Alderney)
Nur 26nm bis zur nächsten Kanalinsel Alderney, passender SSW Stärke 4, mitlaufender Strom: yes yes yes. Karl vorher noch zum französischen Chiropraktiker (schmerzhafte Blockaden lösen), ich zum Boulanger und Charcutier (Baguette und Tripes holen). Tripes sind Kutteln, Maman will sie heute Abend zubereiten. Nach einem zweistündigen Inselspaziergang haben wir derartigen Hunger, daß sie wohl sehr lecker werden.
29. Juni 2022, Braye (Alderney)
Für heute ist die knallharte Fahrradtour über die gesamte Insel angesetzt. Vier Stunden mit Leihfahrrädern. Der alte deutsche Stahlbeton sieht immer noch stabil aus, der Eisenbahnkran hat im Vergleich zu vor neun Jahren stark abgebaut.
02. Juli 2022, St. Peter Port (Guernsey)
Die Fahrt nach Guernsey ist sehr schön und am Wind, Karl wird schlecht.
Das Problem in dieser Gegend ist ja immer das Wasser und seine An- oder Abwesenheit, deshalb müssen wir in St. Peter Port auch drei Stunden am waiting pontoon warten, bis wir in den Hafen können. Damit dieser bei Niedrigwasser nicht leer läuft und wir auf dem Trockenen sitzen, hat man ihn nämlich in der Einfahrt mit einer 2m hohen Schwelle versehen, die wiederum erst 2m unter Wasser liegen sollte, bevor wir drüberfahren können.
Die Stadt ist sehr gemütlich, voll schöner Parks und mit mondänem Touch. Die Insel selber ist erstaunlich dicht besiedelt, hat eine eindrucksvolle Küste und noch reichlich Wehrmachtsbeton. Das können wir bei einer Busfahrt mit eingebauter Wanderung feststellen.
Wir passen unsere Ernährung den ortsüblichen Vorlieben an und steigen um auf Steaks, Beef Brisket und Crab-Sandwiches, getrunken wird Ale.
Die nächste kleine Kanalinsel - Herm - erkunden wir mittels Touristenfähre. Sie ist 20 Fährminuten weit weg, flächenmäßig überschaubar und bietet trotz ihrer geringen Größe (1,5nm x 0,5nm) erstaunliche Landschafts- und Vegetationsunterschiede.
04. Juli 2022, zwischen Roscoff und Ile de Batz (F)
Wir verlassen Großbritannien Richtung Bretagne und kommen vor Treguier an einem Warteponton an. Der liegt da so rum, ohne Landverbindung, das macht uns nichts, wir wollten eigentlich ankern, aber die guten Plätze waren alle drei besetzt und am schlechten hält der Anker nicht. Denn wir sind mit Rib-Eye-Steaks vom Guernsey-Butcher und Bohnen und Kartoffeln ausgestattet. Und mit "Blanc de Maman" aus Cherbourg.
Gesegelt wird am Wind, gestern mit Reff, heute ohne. Geht gut!
In der Durchfahrt vor der Ile de Batz finden wir eine große rote Mooring und binden uns an. Diesmal für Sauerkraut und Würstchen aus Helgoland.
Das Ankern oder Mooren in Tidenströmen ist tricky. Der Strom dreht das Schiff in seine Richtung, dadurch kann der Wind auch mal direkt von achtern kommen. Der schafft es immerhin, das Schiff etwas nach vorn gegen die Ankerkette oder die Mooringtonne zu schieben, die dann an der Bordwand schabt und dagegen rumpelt. Gar nicht schön. Abhilfe schafft der Treibanker, der das Schiff weiter von der Strömung nach achtern und weg von der Tonne zieht. Das gute Stück hat bisher ein arbeitsfreies Leben zu Hause im Keller geführt, jetzt wird es erstmalig aktiv und beschert uns erholsamen Schlaf. Vielen Dank dafür nach Kaulsdorf!
05. Juli 2022, L' Aber Wrac'h (F)
Oder Labour Wreck, wie die Engländer sagen. Jedenfalls sehr romantisch, überzeugende Landschaft mit soliden Felsformationen, und die Muscheln: tres bien!
06. Juli 2022, Brest (F)
Erstaunlicherweise landet man zum Schluß doch da, wo man hin will. In Brest bleibt das Schiff eine Woche liegen, weil wir gemeinsam nach Hause fahren, um mit der Verwandschaft zum Abi-Ball zu gehen und andere wichtige Dinge zu erledigen.
Dann ruft die Biscaya, den Ruf hat auch ein neuer Mitsegler gehört, wir sind gespannt.
Die Heimreise mit dem Auto führt logischerweise durch den Osten Frankreichs, wo nicht mehr geöffnete Austern und Muscheln mit Muscadet, sondern geöffnete Rindertibiae (?) mit Fleur de Sel, Thymian und unfiltriertem Bier serviert werden. Tres bien!
16. Juli 2022, 20nm SW-lich von Brest
Er ist wieder da! Nach einer etwas chaotischen Rückreise mit dem Zug bin ich seit gestern Nacht wieder an Bord. Seit heute Morgen ist auch meine Crew in Form von Johannes dabei, der kann zwar noch nicht segeln, aber schon sehr gut einkaufen.
Wir entschließen uns, dem einheimischen Krebsgetier letztmalig kräftig zu Leibe zu rücken und dann sofort unser Heil in der Flucht nach vorne Richtung Galizien zu suchen. Später zu starten hieße mehr Gegenwind vor La Coruña, also gibt es einen Ableger anstatt Nachtisch.
Wir starten mit Rückenwind Stärke 4 und Schmetterling in eine ruhige See. Ich werde alle Nachtwachen machen und Johannes soll mich dann tagsüber ein paar Stündchen schlafen lassen. So ist der Plan für die nächsten knapp drei Tage.
17. Juli 2022, Biscaya (100nm vor La Coruña)
Die ersten beiden Nächte sind geschafft, ich bin es noch nicht. Es sind ruhige Nächte, ab 06:00 Uhr werde ich abgelöst, kurz vor Sonnenaufgang.
Der Wind bläst ordentlich und raum, gestern schläft er aber plötzlich ein (Motor an), um dann aus einer dunklen Wolke mit 30kn über uns herzufallen (2. Reff, kleine Fock, etwas Schweiß). Bis zum Abendessen (Entrecote vom Charolais mit Ratatouille) hat er sich aber gefangen.
Heute macht er das gleiche Spiel wieder mit uns. Die Salontür (groß und schwer) ist wohl nicht richtig fest verschlossen und fährt bei kräftiger Krängung schwungvoll und mit lautem Knall auf. Gar nicht gut, der Anschlag ist weg, der Türgriff verbogen und sie läßt sich jetzt in geöffneter Stellung nicht mehr verriegeln. Merde.
Ansonsten ist das Segeln sehr angenehm, 3-5Bft., heiter 22°C.Hin und wieder mal einreffen und ausreffen, Fischernetze vom Ruder schneiden und die Seemannschaft in Theorie und Praxis dem interessierten Mitsegler erklären.
18. Juli 2022, La Coruña (E)
Geschafft. Auch mit Hilfe von 14 Motorstunden. Die Konstanz des Windes kann als mangelhaft bewertet werden. Die Spannung der Steuerseile auch, denn eines der beiden ist deswegen wohl vom Ritzel des Backbord-Steuers gesprungen, hat sich irgendwo verklemmt und daraufhin die ganze Ruderanlage blockiert. Man kann nur noch im Kreis fahren wie seinerzeit die BISMARCK nach dem finalen Treffer an der Ruderanlage. Da deren nicht auch unser Schicksal sein kann, räumen wir die Dinghygarage leer und ich tauche von achtern in die Ruderräumlichkeiten ein. Gott sei Dank läßt sich die Kombination aus Steuerseil und -kette noch vom unteren Ritzel lösen, so daß das Backbordsteuer total von der Anlage entkoppelt ist und sich das Schiff nur über das Steuerbordsteuer wieder lenken läßt. Bei der mißtrauischen Kontrolle der Steuerbord-Steuerseil-Spannung (ist Okay) wird aber per Zufallsbefund ein erheblicher Spannungsabfall an der Kette des elektrischen Autopiloten festgestellt und aus naheliegenden Gründen auf dessen Gebrauch verzichtet (habemus Windsteueranlage). Baustellen hat das Boot...
19. Juli 2022, La Coruña (E)
Reparaturtag. Die Steuerkette vom Backbordrad wird wieder befestigt und die vom Autopiloten nachgespannt. Zum Thema Tür werden Telefonate mit dem Hersteller in Würzburg geführt und Bilder verschickt, das Thema ist noch heiß und muß längerfristig betrachtet werden. Da ist wohl echt was gebrochen in der Mechanik.
Die Energie für alle Maßnahmen stammt aus dem reichlichen vorabendlichen Verzehr von Navajas (Schwertmuscheln), Pulpo a la Gallega und Pimientos de Padron und zehn Stunden Schlaf.
20. Juli 2022, La Coruña (E)
Wir treffen die AGORA und CAMOGHE III und verabreden uns im "El Rey del Jamon", einem vegetarischen Restaurant, in dem der Himmel voller Geigen hängt.
Aber irgendwie ruft die See, der Wind kommt aus der richtigen Richtung und mit der richtigen Stärke und es gibt wenige Argumente für einen weiteren Aufenthalt, also machen wir uns auf den Weg um den alten Torre de Hercules Richtung Westen.
21. Juli 2022, Corme (E)
Die Islas Sisargas liegen gestern ausnahmsweise mal nicht im Nebel und der kräftige NE schiebt uns mit Rumpfgeschwindigkeit nach Westen. Um die Ecke rum und rein in die Bucht von Corme. Mein Mitfahrer Johannes soll das Großsegel runterziehen und auch gleich das Großfall abmachen. Das tut er willig, aber ich habe ihm nicht gesagt, daß abmachen nicht gleichzeitig loslassen bedeutet. Folgerichtig sehe ich plötzlich das Großfall samt Schäkel 10m über mir lustig im Winde wehen. Ich behaupte mal, daß ich selten in meinem Leben ein so dummes Gesicht gemacht habe. Glücklicherweise können wir das Fall am Ankerplatz dann relativ leicht wieder einfangen. Letzterer ist gut besucht und bleibt es auch heute noch, alle Kollegen haben wohl die gleichen Ansichten und wettern den angesagten Starkwind lieber vor Anker ab. Also nutze ich die Gelegenheit zum Putzen und für einen Bürotag.
Zur Entspannung noch einen Trip mit dem Dinghy an Land. Wenn man die Stadt (eine der häßlichsten mir bekannten) links liegen läßt, kommt man durch eine erstaunlich reizvolle Landschaft.
22. Juli 2022, hinter Cabo Finisterre (E)
Wir sind hinter dem Ende der Erde und so sieht es hier aus. Fantastisch!
Es ist so abgelegen, daß die RESOLUTION das einzige Schiff weit und breit ist und nichts den Blick darauf verstellt. Außer man stellt etwas hin.
23. Juli 2022, Isla de Ons (E)
Der Wind ist vormittags etwas schwächlich, wir werden zwar von Delfinen besucht, kommen aber nur 40nm bis zur Isla de Ons. Es gibt einen netten Ankerplatz vor einem Nudistenstrand. Mein Mitfahrer Johannes ist so begeistert, an Land zu kommen, daß er seine Schuhe vergißt und auf dem Rückweg stolpert, sich die große Zehe horizontal spaltet und das Grundgelenk prellt. Wie gut, daß ich nicht Chirurg gelernt habe, so gebe ich ihm ein Chlorhexidinspray und gute Ratschläge, das kann ich noch.
Es sind 23°, man kann ablegen!
24. Juli 2022, Vigo (E)
Una gran catastrofe. Gestern früh um 09:00 kommt die Meldung vom Mitfahrer, daß seine Toilette verstopft ist. Zuviel Klopapier. Der Klassiker. Eigentlich bin ich geübt in der Problematik, aber hier ist die Konstruktion derart verbaut und verwinkelt, daß ich den Abflußschlauch nicht abmachen kann. Nicht ohne Flex. Auch habe ich kein Abflußfrei dabei und keine Spirale zum Durchbohren. Alle Versuche bisher sind nicht erfolgreich. Heute ist Sonntag, keine Geschäfte offen, kein Hafenbüro offen. Morgen ist "Día Nacional de Galicia" (Nationalfeiertag), also auch keine Geschäfte und kein Hafenbüro offen. Scheiß drauf ...
25. Juli 2022, Ensenada da Limėns (Bucht von Vigo)
Auch Backpulver und Salzsäure zeigen keine Wirkung. Die Operation wird auf morgen verschoben und auf den Kauf von Abflußfrei und einer Spirale sowie die Suche nach einem Klempner (Fontaneiro auf spanisch, das klingt vielversprechend). Wir machen es wie die Eingeborenen und verbringen den Feiertag nach einer kleinen Kreuz bei ruhigem Wetter und Sonnenschein gegenüber von Vigo in einer netten Bucht.
29. Juli 2022, Vigo (E)
Das Klo ist wieder frei. Von unten 6h mit der Spirale und von oben mit fürchterlichem schwarzem spanischem Abflußreiniger. Dann kam plötzlich die schwarze Brühe durch den Schlauch ins Bad gelaufen. Und hat den schönen weißen Fußboden verätzt, der sieht aus... Ein paar Spritzer sind auf die Bodenbretter im Flur gekommen, die müssen auch getauscht werden. Alles in Allem ein Riesenerfolg.
Mein Mitfahrer Johannes ist gestern wieder zurück auf sein Fahrrad gestiegen, dafür kommt abends Andy an, der wird mich bis Lissabon begleiten. Er verkörpert das Gegenprogramm bezüglich Alter und Segelerfahrung.
Gestern sind wir in den Ria de Pontevedra gefahren und haben vor Combarro geankert, einem sehr schönen, pittoresken alten Fischerdörfchen.
Das ist in Vigo. Heute wollen wir raus auf die Islas Cies und morgen dann nunner nach Bordugall.
29. Juli 2022, Islas Cies (E)
Wenig segeln und viel wandern, das liegt mir ja nicht so. Aber bis auf die Isla Cies sind es nur 9nm und auf den Leuchtturm obendrauf mind. 900 Höhenmeter. Gut, die Aussicht ist nicht schlecht.
30. Juli 2022, Viana do Castelo (P)
Die Grenze zwischen Spanien und Portugal bedeutet nicht nur Flaggen-, sondern auch Klimawechsel: in Viana sind es 32°C! Die Marina vor der Eiffel-Brücke ist voll, wir müssen als einziges Boot in den Museumshafen neben ein altes Hospitalschiff. An unserem Boot kann das nicht liegen, ich denke die Crew wird als museumsreif eingeschätzt. Der Weg in die Altstadt zur craft-beer-Kneipe ist dadurch aber kürzer.
01. August 2022, Porto (P)
Wir motoren wegen fehlenden Windes gestern durch bis Porto, denn wir sind mit der FREJA verabredet und wollen uns unbedingt in der Douro-Marina (teuerster Hafen bisher) treffen. Klappt auch alles, wir haben als Entschädigung wenigstens sehr verspielten Delphin-Besuch.
Heute arbeiten wir Porto quantitativ ab, es gefällt allen, Lissabon wird sich anstrengen müssen, um die Spitzenposition des Städte-Rankings zu behaupten. Mittlerweile haben die Portugiesen wohl erkannt, daß alte Innenstädte eigentlich schön und nach entsprechender Restauration auch bewohnbar sind. Bautätigkeit in großem Maßstab und viele bereits wieder hergerichtete Häuser.
02. August 2022, Porto (P)
Der Wind läßt auf sich warten, stattdessen kommt Nebel in den Hafen. Wir fliehen zu einer Flußkreuzfahrt auf der FREJA nach Porto bis zur Brücke Ponte Luiz I., das machen fast alle Touristen. Am Nachmittag geht es über die Amüsiermeile von Gaia zur Portweinkellerei "Churchill's", da kriegen wir eine Führung und eine Weinprobe. Und ich erwerbe eine Flasche vom guten Tawny für schlechte Zeiten, habe aber den Eindruck, daß die Preise mittlerweile manipuliert sind.
04. August 2022, Figueira da Foz (P)
Wir sind in einem (für uns) geschichtsträchtigen Ort angekommen, nach gemächlichem Leichtwind-Raumschotkurs. Der Portugalpassat ist dieses Jahr nicht so beständig, morgen machen wir wohl mal Flauten-Urlaub.
Der Nachbar ist bewaffnet, da können wir beruhigt ausschlafen.
Die Ankunft habe ich gemeinsam mit einem kleinen Taschenkrebs gefeiert, klein heißt, daß ich nur 3 Beine abgegeben und eines liegengelassen habe. Man beachte das Besteck: der Hammer!
06. August 2022, Nazare' (P)
Eine Kreuz von 46nm mit EINER Wende, und - zack - sind wir da. Vorher gibt es 10-12kn Wind - der auch noch in die richtige Richtung dreht -, Pullover und lange Hosen am Morgen, Sonne und kurze Hose und eine warme Mahlzeit zum Mittag. Muito bem!
Nazare´ war seinerzeit berühmt für die Seelenverkäufer, die hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Die alten Steganlagen sind neuen gewichen, die Boote zum Teil auf's Land. DAS Boot ist aber immer noch da.
Das ist das Originalbild von unserem ersten Besuch im August 2013.
Das ist von heute. Der Hafenmeister weiß zu berichten, daß bisher noch niemand dieses Schiff hat segeln sehen. Hin und wieder führe es hinaus (unter Maschine) und zöge manchmal auch das (rechteckige!) Großsegel hoch, das wäre aber alles.
07. August 2022, Peniche (P)
Leichtwindsegeln. Partiell mit Motorunterstützung.
Peniche ist ein Päckchenhafen. Und dieses Wochenende findet die Fiesta "Nossa Senhora da Bom Viagem" statt, das ist sehr richtig und der Umzug mit Blasmusik auch okay. Nicht okay ist dagegen die zeitgemäße Umsetzung mit großer Bühne und Beschallungsanlage direkt am Hafen, die Rave-Party geht bis in die Morgenstunden. Watte im Ohr hilft nicht.
Vorher haben wir aber die tolle Kneipe von vor neun Jahren wiedergefunden, Gott sei Dank hatte ich den Namen damals im Logbuch notiert. Heute ist sie nicht mehr vor der Garage, sondern neu und schick und teuerer daneben, aber immer noch sehr gut.
08. August 2022, Cascais (P)
Der Weg nach Cascais führt um das Cabo da Roca und um das Cabo Raso und durch bleierne, windfreie See. Die Hafengebühren in der Marina Cascais sind dagegen eher golden, mit über 80,-€ für eine Nacht haben wir einen neuen Rekordhalter. Der Strand und die Amüsiermeile sind gerammelt voll, Cascais ist eine typische Ferienstadt. Aber ich mag's.
09. August 2022, Lissabon (P)
Bis Lissabon ist es nicht weit und es gibt Segelwind. Was es allerdings nicht gibt, ist ein Liegeplatz in der Marina Parque das Nações, da haben wir früher immer gerne und problemlos gelegen. Also wieder zurück in die Alcântara-Marina, die fast unter der großen Brücke und hinter dem Containerhafen liegt: laut. Aber der Schlag bis hinter und zurück war touristisch wenigstens sehr schön.
10. August 2022, Lissabon (P)
Mitsegler Andy ist ein hochmoderner Mensch und als solcher hat er natürlich eine App zum Ausleihen von E-Bikes. Dadurch komme ich auch in den Genuß eines derartigen Gefährts und darf auf der Suche nach einem Marineausstatter bis nach Belém und dann bis ins Bairro Alto fahren und die Karre am Praça de Luís de Camões an die Wand stellen. Ein Espresso und ein Pastel de Nata im Café La Brasilheira vervollständigen das Touri-Gefühl.
12. August, Cascais (P)
Bin wieder Solo-Sailor! Und als solcher ganz entspannt zurückgekreuzt nach Cascais zum Ankern.
Heute morgen muß ich in die Marina, um in der Werft die Seitenverkleidungen reparieren zu lassen, beide haben Risse (Garantiefall). Dazu darf man einen "short term stay" buchen, der natürlich teurer ist als anderswo ganze Tage.
Die Teile habe ich abgegeben und kann sie nächste Woche wieder abholen (Cave: am Montag ist Nationalfeiertag!), da werde ich versuchen, mich ungesehen in die Marina und wieder raus zu schmuggeln. Einkaufen war ich auch noch, der Weg zum AUCHAN ist lang und heiß. Aber nun halte ich ein paar Ankertage aus, das Wetter scheint dafür bestens geeignet.
Die Sonne scheint, ich montiere die bisher nicht benötigten Außenverschattungen. Auf Sonnenschein bin ich also bestens vorbereitet.
Baden gehe ich auch, die Wassertemperatur liegt bei bedenklichen 20,3°C. Einmal ums Schiff schwimmen wird ja wohl gehen, am Bug sind die Schmerzen schon erträglich, wieder am Heck fühlt es sich nur noch erfrischend an.
15. August 2022, Cascais (P)
Wir liegen vor Cascais
und haben Polierwachs an Bord ...
Auf das gesamte Gelcoat soll laut Hersteller und Logik einmal ein Polierwachs aufgetragen werden, das alle Flächen dann vor UV-Strahlung, Salz und Wasser schützen soll. Das wollte ich auch von einer Werft machen lassen, eine hat gleich abgesagt, die andere hat 2.000,-€ dafür veranschlagt und die dritte hat gar nicht reagiert. Also habe ich mir seufzend eine Flasche von dem Zeug für 30,-€ gekauft, alte Lappen habe ich reichlich an Bord und Zeit habe ich auch. Gestern Dach und Cockpit, heute die Aufbauten, morgen den Rumpf steuerbord und übermorgen backbord.
Mein Dinghy hat Klapp-Räder bekommen, damit ich es alleine auf den Strand ziehen kann.
Und das (ehemals verstopfte) Klo habe ich zum vierten Mal demontiert und den Abflußschlauch versucht abzudichten. Es ist mir wieder nicht ganz gelungen, ungefähr alle 3 Stunden kommt immer noch ein Tropfen durch.
Gestern bin ich mit dem Dinghy an Land übergesetzt, um mich mit einem Bekannten zu treffen, der heute Richtung Mittelmeer abfahren will. Ich entdecke eine englische craft-beer-Schmiede mit einem tollen Weizen-IPA. Sieht total gesund aus, wie Bananensaft. Schmeckt aber etwas hopfiger.
16. August 2022, Cascais (P)
Die Arbeiten gehen zögerlich, aber voran. Der Rumpf von außen fehlt noch.
Das Wetter ist sehr schön, 24°C, Sonnenschein und NNW Stärke 5, aus dem Scheitel der Bucht. Das ist zum Ankern und Arbeiten wunderbar, auch für die Segeljugend vom Clube Naval sind das beste Bedingungen. Die Touristen, die sich einen Surfkurs gebucht haben, sind dagegen gefordert. Zum Baden ist es aber Mist, der Wind pustet das warme Oberflächenwasser aus der Bucht und das kalte kommt von unten nach. 18°C Wassertemperatur sind mir eindeutig zu wenig zum Baden. Kann keinen Unterschied zur Nordsee erkennen. Da nutze ich lieber die Sonnenenergie zum Beheizen des Boilers und gehe nur duschen.
17. August 2022, Cascais (P)
Ausgebremst. Bei Windstärke 6-7 aus NNE kann ich vom Beiboot aus nicht den Rumpf waschen und wachsen, das ist zu spritzig. Hätte ich den mal gestern und vorgestern zuerst bearbeitet, als es noch ruhiger war, dann hätte ich heute schön die Aufbauten und das Dach machen können. An Land fahren will ich bei Starkwind auch nicht unbedingt, man weiß ja nie. Baden ist gar nicht möglich, die Wassertemperatur liegt heute bei 17°C. Stattdessen also NE-Urlaub ...
Selbst die Snipe-Jollen, die sich hier auf ihre WM vorbereiten, sind wieder reingefahren, nachdem einer das Großsegel gerissen ist. Die WM ist erst in 4 Wochen, aber die Stars aus Brasilien und USA sind schon am Trainieren. Die Foil-Surfer kommen erst nach Feierabend raus, die haben bestimmt ihren Spaß. Kite-Surfer gibt es hier gar nicht, vielleicht ist es verboten wie am Müggelsee.
Auch am Abend kein Surfer in Sicht, die feigen Säcke ... gut, es ging in den Spitzen hoch auf 8 Bft., aber das kann doch nicht der Grund sein. Oder brechen die Foils dann ab??
Der eine oder andere Ankerliegerkollege kommt zumindest nach ein paar Stunden wieder zurückmotort, nachdem sein Anker geslippt ist. Zum Glück liege ich diesmal in der ersten Reihe und das Ganze spielt sich hinter mir ab.
19. August 2022, Cascais (P)
Geschafft. Alles gewachst und die Seitenverkleidungen wieder in der Werft abgeholt.
Der Backbordrumpf heute war recht beschwerlich, man will hier dem deutschen Sommer nacheifern und hat die Temperatur auf 33°C hochgefahren. Und die Wassertemperatur auf 19°C! Dazu Windstille und Dünung. Dann gehe ich halt baden, muß diesen Übermut aber fast mit dem Leben bezahlen, die Finger beginnen schon abzusterben. Raynaud-Syndrom nennt man das, daher fahre ich auch keine französischen Autos.
Die Ankergemeinde wechselt sehr langsam, die Gibraltassen hinter mir sind schon länger da als ich, die Polen und Litauer sind weg, dafür gibt es jetzt Holländer, Dänen und Norweger.
Ansonsten ist der Blick auf Cascais sehr abwechslungsreich.
22. August 2022, Cascais (P)
Ich nähere mich ja - als geborener Thüringer und ehemaliger Hobbyfleischer - der Kultur eines Landes am liebsten über die Wurst. Daher kaufe ich auch immer Bratwürste und sehr gerne die am wildesten und exotischsten aussehenden Kreationen an der Wursttheke. So habe ich festgestellt, daß die russische Kultur sehr trocken und bröselig sein kann, die schwedische seifig und die französische (Andouille!) verräuchert und intestinös.
Hier in Portugal ist mir bisher aufgefallen, daß die Wurst (Choriço z.B.) nicht mit der spanischen mithalten kann, wohingegen der Käse (quejo acetão) viel besser ist. Gestern habe ich mir allerdings eine frische Blutwurst ausgesucht, die sehr nach Warmmachen im Wasserbad aussah und das habe ich auch getan. Der Inhalt war nach dem Anschnitt eindeutig Citratblut mit Gekröse, sowohl in der Konsistenz als auch im Geschmack. Sowas gehört sich nicht, selbst das Nachbraten in der Pfanne trennte nur das (reichlich vorhandene) Fett ab und änderte sonst nichts. Kein Wunder, daß die Portugiesen ihre Seeherschaft vor längerer und ihre Kolonien vor kürzerer Zeit abgeben mußten. Mangelnde (Blutwurst-) Kultur ...
25. August, Lissabon (P)
Bin wieder in Lissabon, um morgen Lui und Leah an Bord zu nehmen.
Gestern hat sich in einem Schlauch des Trinkwassersystems ein kleines Loch geöffnet, das zu einer unerwarteten Fontäne im Weinkeller und der beginnenden Überflutung desselben führte. Habe aber das wiederholte Anspringen der Trinkwasserpumpe mitbekommen und daraufhin das Leck gesucht und gefunden und den Schlauch erstmal mit selbstverschweißendem Tape gesichert. Heute geht die Pumpe wieder los, ein zweites Loch im gleichen Schlauch. Meine Wanderung zum örtlichen Baumarkt bringt allerdings die bittere Erkenntnis, daß 5/8"-Schläuche nicht zum Sortiment von LEROY MERLIN gehören. Nun ruht die Hoffnung auf dem morgigen Erscheinen eines Technikers mit passendem Material.
Der Weg zum Baumarkt führt durch die futuristische Vorstadt des ehemaligen EXPO-Parks, in der sich die Architekten und Betongießer 1998 voll ausgelebt haben.
29. August 2022, Oeiras (P)
Lui und Leah sind angekommen, wir nehmen noch ein volle Dröhnung Lissabon inklusive Fado und Blutwurst (diesmal wesentlich besser, so konnte man das nicht stehen lassen).
Die mitgebrachten Ersatzteile verbaue ich über 3 Tage, die Tür geht wieder auf und zu und läßt sich abschließen.
Deswegen verlassen wir heute den europäischen Kontinent Richtung Madeira, der Wetterbericht sagt leichte Winde voraus, also brauchen wir wohl mehr als vier Tage bis Porto Santo. Adeus!
31. August 2022, auf See (zwischen Portugal und Madeira)
Dieser Bericht von See kommt verspätet, ich weiß. Ludwig hat mir zwar ein Satellitentelefon mitgebracht und dieses in Oeiras auch noch versucht zu aktivieren, aber leider ist ihm das mit Emails und dem Versenden von SMS noch nicht geglückt.
Wir sind seit zwei Tagen unterwegs und haben fast die Hälfte geschafft. Die Bedingungen sind leicht und friedlich, ruhige See, raume und achterliche Winde mit 2-4 Bft., stimmt mit der Vorhersage überein. Keine Ausfälle, allerdings ist die Stromversorgung nicht zufriedenstellend. Solarpaneele und Wind- und Wassergenerator reichen nicht ganz zum Ladungserhalt der Batterien aus. Da muß ich wohl nochmals Hirnschmalz und sicher auch Geld investieren.
Was allerdings hervorragend funktioniert, ist die neue Angel mit dem rosa Gummi-Tintenfisch als Köder! Der sieht für einen gefräßigen Mahi-Mahi zu appetitlich aus. Also gibt es heute Abend Ceviche als Vorspeise und Filets mit Caponata als Hauptgang.
Wir sind nicht alleine, Delphine sind schon dagewesen und in Sichtweite fährt die NAGO mit. Denen können wir über Funk also schon stolz unseren Angelerfolg mitteilen.
Der Mannschaft geht es gut, Leah ist nach dem ersten Tag und 75mg Cinnarizin wieder quicklebendig.
In der ersten Nacht sind wir aber nur knapp dem Tode entronnen. Der Frachter IRIS kreuzt unseren Weg. Nach Annäherung auf eine Meile mit Kollisionskurs werde ich leicht nervös, funke ihn an und frage, was er denn so vorhabe. No problem, er würde vor uns passieren. Schön, er hat uns gesehen und weiß, was zu tun ist. Was ich nicht erwartet habe: vor uns heißt für ihn mit einem Abstand von 50m! Das Ungetüm schiebt sich von steuerbord schräg vor meinen Bug wie eine Häuserwand und verdunkelt den Sternenhimmel! Ich werfe entsetzt die Genuaschot los, um etwas Geschwindigkeit zu reduzieren, wegwenden kann ich nicht, das wäre in seine Richtung, und bei einer Halse würde der ausgestellte Baum mit Schwung rumkommen und der bricht bei der Gelegenheit gerne. Mit offenem Mund und offenen Schweißdrüsen sehe ich zu, wie sein Heck immer näher kommt und dann glücklich vor uns durchgeht. Als ich mich einigermaßen gefaßt habe, funke ich ihn wieder an und frage, was das soll. Ob ich das nochmal wiederholen könne, er verstünde mich nicht. Auch beim zweiten Mal nicht. Was kann man an "... to close ..." nicht verstehen? So ein A...
04. September 2022, Porto Santo (P)
Gestartet sind wir zu dritt, die RESOLUTION, die NAGO und die EMOTION. NAGO war zwei Tage neben uns, EMOTION schon am 2. Tag verschwunden. Nach 5 Tagen kommt NAGO 8h vor uns an (ist viel motort wegen Strommangels und deshalb disqualifiziert) und die EMOTION, eine Bavaria Vision 46, kommt genau 5 min nach uns. Wer hat also gewonnen? Na? Na??
Wir ankern im Hafen von Porto Santo und laufen 20min in die Stadt, um uns Fahrräder auszuleihen, das ist hier so Sitte. Damit machen wir Einkäufe und eine Tour in die Inselberge, bei 26°C und praller Sonne eine sehr gute Idee. Aber in der letzten Nacht haben alle 11h geschlafen und sind wieder topfit.
Lui wird gestern mit der Auswahl eines Restaurants zum Abendessen beauftragt und wählt tatsächlich das einzig richtige im Umkreis von mehreren hundert Meilen aus, wahrscheinlich der beste Bacalhau meiner Karriere, auch Lui's Thunfisch und Leahs Rinderspieß sind perfekt. Gute Leute muß man haben!
06. September, Quinta do Lorde (Madeira, P)
Die Überfahrt (28nm nur) nach Madeira verläuft in gewohnt schwachwindiger Manier, hin und wieder muß der Diesel gezündet werden. Wir ankern in der schaurig schönen Enseada da Abra, deren von lavagefüllten Schloten und Rissen durchzogene Felswände die richtige Kulisse für unseren Grillabend (Goldbroiler an Chinakohl) abgeben.
Am nächsten Tag mischen wir uns unter die Hundertschaften touristischer Wanderer und steigen den Pfad zur Südostspitze Madeiras hoch, das dauert eine Stunde und es schwitzt. Rückwärts schaffen wir es in 45min, weil die Aussicht auf ein Bad im 24°C warmen Meer und damit auf Meereshöhe winkt.
Zum Crewwechsel und zur Auffrischung von Boot und Mannschaft geht es in die Marina Quinta do Lorde, an sich recht schön, wenn nicht so viel Schwell, so hohe Preise und so gar nichts los wäre. Die schicke Hotelanlage ist pleite und verkauft, Wiedereröffnung soll erst 2024 sein.
10. September, Quinta do Lorde (Madeira, P)
Mit Ankunft von Maman, Richard und David sowie ihres Mietwagens machen wir uns auf ins Inselinnere zur obligatorischen Levada-Wanderung. Diesmal ist es nicht ganz so grün und urwäldlich, aber auch sehr schön. Es geht durch dunkle Felsengänge, die mit Spinnweben ausgekleidet sind, damit man sich den Kopf nicht so sehr stößt.
In Funchal haben sie eine Ferienwohnung genommen, das wird unser Basislager auch für Ausflüge in die Stadt, auf den Markt und in diverse Restaurants und Madeira-Wein-Bodegas.
Die Autostrada hält ein neues Schild bereit, das besagt, daß die Höchstgeschwindigkeit nur bei Regen eingehalten werden muß und bei Sonnenschein 10km/h draufgelegt werden können. Sehr gut!
12. September, 30nm vor La Graciosa (Kanaren, E)
Die letzte Nacht auf Madeira wollen wir in unserer wild-romantischen Lieblingsbucht Baia d'Abra verbringen, Ludwig und Leah kriegen die Ferienwohnung und den Mietwagen, um damit am Samstag zum Flughafen zu fahren. Es wird eine wild-schwellige Nacht, der SW schmeißt Wellen in die Bucht. Also bei der ersten Dämmerung (heißt hier 07:45 Uhr) Anker auf und ab mit dem SW in Richtung SE, zu den Kanaren. Es ist grau und tief bewölkt und regnet. Und es gibt ordentlich Welle auf nüchternen Magen, das macht satt und grüne Gesichter bei den Midshipmen, dagegen helfen nur Cinnarizin und Bettruhe. Die Fahrt an sich verläuft zügig, zu lecker Gebäck und einem leichten Abendessen fühlt man sich dann wieder in der Lage.
Ein Reff im Großsegel und die kleine Fock reichen für ein Etmal über 150nm, am zweiten Tag wird auch schon wieder anständig gekocht: Salsicce mit Caponata.
Bis zum Abend sieht es so aus, als würden die für die 270nm vorsichtig angesetzten zwei Reisetage deutlich unterschritten und wir schon mitten in der Nacht ankommen, aber jetzt in dieser bewußten Nacht wird der Wind kurz vorm Ziel natürlich flau, vielleicht fällt der Anker erst bei Sonnenaufgang.
15. September 2022, Playa Quemada (Lanzarote, E)
Noch im Dunkeln haben wir in der Bahia Francesa vor La Graciosa geankert, den letzten Madeira-Wein ausgetrunken und uns schlafen gelegt. Dann Bade- und Reparaturnachmittag (Kleinigkeiten), Schwatz mit den Ankernachbarn und abends Nudeln mit Tomatensauce.
Gestern geht es nach Arrecife, in die Marina der Hauptstadt Lanzarotes. Die Marina ist erfreulich preiswert und bietet eine deutsche Rezeptionistin, Wasser, Duschen und (zeitweise zumindest) Strom.
Wir marschieren abends noch in den nächsten Supermarkt und in ein urugayisches Restaurant mit lecker Rindfleisch.
Heute fegen wir mit kräftigem NNE, einem Reff, kleiner Fock und 9kn an der Ostküste Lanzarotes in die nur 12nm entfernte Bucht von Playa Quemada und ankern als einziges(!) Boot vor der mit typischen weißen Häuschen verschönerten typischen Vulkanlandschaft. Der Duft vom Land läßt auf eine Besiedelung mit Eseln oder Kamelen schließen. Die Anlandung mit dem Dinghy soll aufgrund der steilen Felsküste sowieso schwierig sein, aber wir sind Selbstversorger und haben größere Teile von Iberico-Schweinen dabei.
17. September 2022, Marina Rubicon (Lanzarote, E)
Die Marina Rubicon ist ein legendärer Ort, wir haben auf unserer letzten Reise viel Zeit hier verbracht (weil es schön ist), Papa war vor zwei Jahren mit der Ex-ENTERPRISE nochmal hier und Karl hat praktisch sein halbes Berufsleben in der Flagship-Bar gearbeitet.
Wie immer findet jeder sein persönliches Glück auf seine persönliche Weise.
Wir nehmen uns einen Mietwagen und machen die obligatorischen Besichtigungen: ein bißchen Vulkan, ein bißchen Manrique, ein bißchen Gespritze, ein bißchen Wein.
19. September 2022, Gran Tarajal (Fuerteventura, E)
In kleinen Schritten, nicht größer als 20nm, tingeln wir an der Ostseite von Fuerteventura nach Süden. Wir ankern in einer kleinen Bucht (Pozo Negro) und fahren heute in den sehr preiswerten Hafen von Gran Tarajal. Der ist so preiswert, weil extremer Schwell im Hafen herrscht und deshalb nach der Rückkehr vom Einkaufen mein guter Helgoländer Ruckdämpfer gerissen ist. Wenn man die 30,-€ einpreist, sieht die Bilanz wesentlich schlechter aus.
20. September 2022, Puertito de la Luz (Fuerteventura, E)
Übrigens hat der örtliche Bootsausrüster die komplette Palette an Ruckdämpfern im Angebot (sic!), ich erwerbe den größten und teuersten.
Gestern Abend besuchen wir "Mama's Gastro Adventure", ohne uns über den Namen Gedanken zu machen. Das führt zu erstaunten Blicken, als der gegrillte Oktopus unter einem Berg von Zuckerwatte und die getrüffelten Spaghetti Carbonara unter einer 24K-Goldkruste zum Vorschein kommen. Es schmeckt aber alles sehr gut!
Heute geht es weiter an der fuerteventurischen Küste bis zur Südwest-Ecke. Da hat man uns eine Ankerbucht empfohlen, die zwar etwas schwellig ist, aber dafür haben wir morgen den kürzesten Weg für die Überfahrt nach Las Palma auf Gran Canaria (ca. 50nm).
24. September 2022, Las Palmas (Gran Canaria, E)
Wir fahren zunächst mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Gran Canaria, müssen zum Schluß aber doch den Motor bemühen.
Da in einigen Wochen die große ARC-Regatta mit ca. 300 Booten in die Karibik von hier startet, sind wir etwas skeptisch, in der Marina einen Platz zu bekommen, aber noch ist genug frei und wir können rein. Und preiswert ist es auch.
Wir nehmen einen sehr speziellen Leihwagen von Rene', das ist ein hier festgeklebter Boaty mit Nebeneinkünften und ein "Hans Dampf in allen Gassen", er vermittelt auch beim Besorgen einer neuen Ankerkette, sehr nett und sehr hilf- und lehrreich: z. B. kann man von ihm lernen, daß ein Frühstück Quatsch ist, weil man mittags sowieso wieder Hunger hat. Richard sperrt sich aber vehement gegen diese Logik.
Stattdessen gehen wir abends noch mal richtig gut speisen, denn die Crew muß am Freitag das Boot verlassen und in den Berliner Herbst fliegen.
Aber halb so schlimm, auch hier sind drei Tage Regenwetter angesetzt. D. h. Bootsputz, Nähstunde, Büroarbeit, Fitnessübungen, alles indoor. Auf touristische Autotouren im Regen habe ich nicht wirklich Lust. Vielleicht mache ich gegen Abend einen Spaziergang in die Sailor's Bar, die ist gleich am Ende des Stegs. Kartoffelsalat könnte ich noch machen...
25. September 2022, Las Palmas (Gran Canaria, E)
Tja, so sieht's aus. Einsam und im Regenwetter gefangen, die Nahrungsmittel werden knapp, es gibt die letzten verschimmelten Kartoffeln und eine Dose Katzenfutter von MIAU, die Remoulade ist auch schon ganz grün. Das Leben auf See kann soo hart sein ...
25. September 2022, Las Palmas (Gran Canaria, E)
Mein neuer Mitsegler Gerold kommt in Las Palmas an und der Regen hört auf. Wir nutzen den Mietwagen für einen Trip in den Norden der Insel, da gibt es einen schönen Garten und eine schöne Rumdestillerie.
27. September 2022, Pasito Blanco (Gran Canaria, E)
Ab in den Süden! Ordentlicher Schiebewind der Stärke 6 pustet uns in Windeseile in den Süden der Insel, der erste Hafen dort ist Pasito Blanco und er hat noch Platz für uns.
Kaum daß wir da sind, meldet der boatyard aus Las Palmas, daß die beim Tausch der Ankerkette (habemus eine neue, frisch verzinkt!) beschädigte und ihm zur Reparatur zurückgelassene Luke entgegen der Vorhersage schon fertig sei. Wir verknüpfen das Angenehme mit dem Nützlichen und fahren per Mietpanda quer über die Insel wieder zurück, um sie abzuholen. Dabei fallen uns die touristischen Highlights wie der Roque Nublo, der Pico de las Nieves (knapp 2.000m) und verschiedene Häfen des Südens mit ihrer wunderschönen, verspielten Architektur praktisch in den Schoß. Der erfolgreiche Tag wird mit Baden am Strand und Paella in der Fischereivertriebsgaststätte des Nachbardorfes abgeschlossen.
03. Oktober, San Miguel (Teneriffa, E)
Die Südküste Gran Canarias hat ihren ganz eigenen Charme und der besteht aus Fels und Beton. Der Massentourismus erreicht hier seine größten Ausmaße. Das betrifft die an sich schöne Ankerbucht vor Anfi del Mar genauso wie Puerto Rico, in Puerto Mogan weichen die Bettenburgen dann endlich etwas gefälligeren zweistöckigen Häuschen. Bewohnt werden die Burgen u. a. von deutschen Rentnern, denen wir beim Bundesliganachmittag (Gerold ist Union-Fan) in einer deutschen Kneipe life begegnen. Nach der ersten Halbzeit ziehen wir uns auf's Boot zurück.
Nachdem wir im Hafen von Mogan das Dinghy wieder ver- und die Angel ausgepackt haben, nehmen wir die 45nm nach Teneriffa in Angriff. Es läuft sehr gut, der erste Biß erfolgt schon nach zehn Minuten, nach zehn weiteren Minuten anstrengenden Einkurbelns der Schnur und des Fischs geht es auf einmal ganz leicht. Weg ist er, hat aber Gott sei Dank den Köder drangelassen.
Der beleibte Stegnachbar in Puerto Mogan hat uns San Miguel als schönen Anlaufhafen auf Teneriffa empfohlen, als wir dort ankommen, erkenne ich diesen als den von der gesamten Familie auf unserer Reise vor neun Jahren als zum charmelosesten und häßlichsten Hafen gekürten wieder. Leider habe ich das damals nicht ins Logbuch geschrieben. Immerhin kommen noch Bekannte aus Lanzarote herein und wir kriegen eine Einladung zum Abendessen und zum Erfahrungs- und Plänetausch.
05. Oktober, Las Galletas (Teneriffa, E)
Die ganze Überfahrt nach Teneriffa ist kein Berg zu sehen und vor Ort auch nicht! Eigentlich ist der Teide mit 3715m Höhe ein beachtliches Seezeichen. Die Señora im Hafenbüro in Las Galletas erklärt mir, daß momentan in Marokko allgemeiner Hausputz angesetzt wäre und der ganze Staub nun hierher geweht würde. Das Schiff sieht auch entsprechend aus, es wird von uns gewaschen.
Um den Teide vielleicht doch noch zu Gesicht zu kriegen, mieten wir einen Hyundai und fahren in den Norden. Die Landschaft ist beeindruckend, wir besuchen das Haus, in dem Karl sein Auslandsjahr verbracht hat. Dann noch einen Abstecher in die alte (San Cristobal de la Laguna, ganz nett) und in die neue (Santa Cruz de Tenerife, ganz wenig nett) Hauptstadt.
Jetzt ab zum Teide, jedoch der Hyundai ist am Ende. Kupplung kaputt. Wir schieben ihn an den Straßenrand und warten zwei Stunden auf einen Ersatzwagen. Der Teide kommt dann noch schemenhaft in Sicht.
06. Oktober, San Sebastian (La Gomera, E)
Mit leichtem südlichem Wind gehen wir in die Straße zwischen Teneriffa und La Gomera. Ab der Mitte soll der Wind dann stärker aus Norden kommen, der Düseneffekt in der sog. "acceleration zone". 11nm vor dem Ziel sieht man dann auch weiße Schaumkronen, also Genua einrollen, Fock setzen und ein Reff ins Großsegel binden. Richtig so, der Wind dreht um 180° und auf Stärke 5. Später dann auf 6 (2. Reff rein) und die Schaumkrönchen entwickeln sich zu ziemlich häßlichen Wellen, zumal wir hart an den Wind müssen. Der Autopilot wird beurlaubt und man steuert von Hand. Trotzdem krängt das Boot heftig und mehrere Male wird das Lee-Laufdeck komplett geflutet. Die Wassermassen schießen bis nach hinten auf die Cockpitbank. Normalerweise läuft das Wasser von da ins Cockpit ab, aber durch die Krängung zeigen die Abläufe jetzt mehr nach oben als nach unten. Das Wasser findet einen anderen Weg: in die Backskiste unter der Bank. Toll! Mein Klapprad, der Grill, die Verschattungen, alles gesalzen. Wohin das Wasser unter dem Backskistenboden weitergeflossen ist, muß ich noch herausfinden. Das Ganze halte ich für einen konstruktiven Mangel. Die Backskisten müssen entweder abgedichtet sein oder einen funktionierenden Ablauf haben.
Unten im Schiff nur ein bißchen Unordnung und mein Bücherbord aus Plexiglas ist zerbrochen. Die Literatur war wohl zu schwer.
Aber am Abend dann: der Teide ist endlich wieder da!
08. Oktober, San Sebastian (La Gomera, E)
Auf La Gomera sind es oben in 1.300m Höhe nur 13°C, an der Küste dagegen 28°. Das stellen wir mittels Mietwagen fest, nicht per Wanderung. Der Lorbeerwald ist saftig grün und tropft, das Valle Gran Rey ist nach wie vor faszinierend, den Mirador von Cesar Manrique hat man allerdings geschlossen.
Das Wasser unter der Backskiste habe ich zum größten Teil entdeckt und ausgepumpt und -gewischt, fast 10l. Es sammelt sich unterhalb der Kiste am Boden, da wo die Starterbatterie steht. Ganz toll. Aus diesem Kompartiment gibt es nur einen Abfluß, entlang der Batteriekabel in den Motorraum. Ganz, ganz toll.
Der Wind bläst ordentlich zwischen den Bergen herunter in den Hafen, Gerold will lieber noch einen Tag länger bleiben, außerdem gäbe es heute Abend ein Festival der brasilianischen Musik auf dem Stadtplatz. Derartige Anträge habe ich hier früher schon in Form von Petitionen bekommen, bin quasi daran gewöhnt. Also keine gemütliche Ankerbucht, sondern baden am schwarzen Strand hinter dem Hafenfelsen. Wäsche waschen und Einkaufen sind auch noch drin.
12. Oktober, Radazul (Teneriffa)
Das brasilianische Festival wird von einer spanischen Band innerhalb einer Stunde bestritten. Wir schaffen gerade mal ein Bier in der Zeit.
Am nächsten Morgen zurück durch die acceleration zone - diesmal mit raumem Wind - nach Las Galletas. Wir bleiben dem Thema treu und gehen in ein peruanisches Restaurant, das ist wiederum Spitze.
Der träge Aufbruch am Montag nach Santa Cruz wird hart bestraft, die tenerifföse acceleration zone gibt alles und von vorn. Nach 2h gebe ich alles auf, es gibt auch keinen Ausweichhafen bis kurz vor Santa Cruz, das schaffen wir nicht. Also umdrehen und mit den 6Bft. von hinten entspannt zurück bis San Miguel, das mögen wir ja so sehr.
Dafür gestern aufstehen im Dunkeln und Abfahrt in der Morgendämmerung, die Düse bläst erst gegen Mittag so richtig los. Zunächst mit Motor, dann ab Mittag mit 2 Reffs gegen die fette 6 bis 7. Der Großschotschäkel geht auf (den hatte ich zu lange nicht kontrolliert, bestimmt hat sich die Verschraubung gelöst) und wird unterwegs ersetzt. Das vor kurzem reparierte Bücherbord ist danach allerdings irreparabel.
Wir schaffen es bis Radazul (kurz vor Santa Cruz) und legen bei heftigem Wind an. Geht gut, nur kommt dabei die Mooringleine in das Bugstrahlruder. Gerold greift sich Taucherbrille und Schnorchel, Seitenschneider und Schraubenzieher und operiert die Wicklungen wieder raus. Danach kriegt er eine warme Dusche, eine kanarische Blutwurst (mit Mandeln, Rosinen und Zimt) und Bacalhau, denn heute früh muß er per Taxi zum Flieger nach Hause.
Radazul hat meines Erachtens das Zeug, San Miguel den Rang abzulaufen.
Egal, ich bin sowieso mit dem Boot beschäftigt: mittels dünnem Schlauch hole ich nochmal 10l Wasser aus einer versteckten Öffnung über dem Schiffsboden, spachtele Propeller und Bugstrahlruder ab, wasche die Salzkruste von Deck und Aufbauten, entdecke den Verlust fast der gesamten Kühlerflüssigkeit (bedenklich, kann kein Loch finden) und fülle stattdessen Wasser auf, putze Bad und Toilette und nähe die ausgefranste Nationale nach.
14. Oktober 2022, Santa Cruz de Tenerife (E)
Die Fahrt nach Santa Cruz ist einfach und problemlos, der Hafen und das Platzangebot sind riesig.
Hier regnet es öfter, außerdem kommt der Ruß der in Luv parkenden Kreuzfahrtschiffe aufs Deck gerieselt, das gibt eine Sauerei. Können die nicht wenigstens ein paar Filter einbauen?
Die Stadt ist recht ansprechend, viel Gründerzeit, viel Siebziger. Auch schöne Parks und Plätze, Geschäftsstraßen, ein großer Mercado Municipal und viele Menschen uff d'r Gass'. Die Touristen sind hauptsächlich Engländer, in kleinen oder größeren Gruppen, dann meist mit Reiseleiter vorneweg. Logisch, die englischen Besuche haben seit über 200 Jahren Tradition, damals kam man halt nicht mit Ryan Air, sondern mit Royal Navy, der Reiseleiter war u. a. ein gewisser Horatio Nelson.
Ich gehe in eine Peluqueria und lasse mir das Haupthaar stutzen, zu einem Drittel des aus Berlin gewohnten Preises. Es geht offenbar auf Weihnachten zu, da kann man sich mal etwas gönnen.
17. Oktober, 10nm vor Marina Rubicon (Lanzarote, E)
Ich muß zurück. Mein nächster Mitsegler kommt in Lanzarote an und der übernächste auch. Und seit drei Wochen kommt auch der Wind immer von dort, Nordost ist hier die vorherrschende Windrichtung. Gestern habe ich ein kleines Wetterfenster erspäht mit etwas Nordnordwest, es ist aber nur die ersten 90nm offen, die letzten 40nm muß der Diesel durchbrummen. Fehler im Aufmarsch sind in der Schlacht nicht wieder gutzumachen... Also nie wieder Mitsegler nach Luv bestellen, nur nach Lee.
Für meine erste Einhand-Nachtfahrt ist so ein Leichtwind aber ganz okay, man muß zwar auch viel basteln und trimmen, um aus dem Lüftchen alles herauszuholen, aber Starkwind hätte ich nicht haben wollen. Und die kommende Nacht wird einfach um zwei Stunden Schlaf verlängert, dann ist alles wieder fit. Wie man das aber drei Wochen am Stück alleine hinkriegen soll, ist mir nicht wirklich klar.
Ziemlich viel Verkehr ist auf der Strecke, auch tierisch viel los, ich begegne vielen Pilotwalen, kriege Besuch von Atlantic Spotted Dolphins und sehe Thunfische springen. Aber die Angel scheint sie nicht zu interessieren, trotz des lecker pinken Tintenfischs...
18. Oktober, Playa de Mujeres (Lanzarote, E)
Die erste Nacht nach der langen Nacht schlafe ich doch nur 10h. Vorher hat man mir einen Platz in der fast vollen Marina zugewiesen und einen Termin für die wieder fällige Durchsicht des Motors und die Suche nach einem Leck im inneren Kühlkreislauf des selben für nächsten Mittwoch. Und ich war noch auf der NAGO zum Schwatz und beim Inder zum Dinner, bei der Wahl der Schärfe zwischen "mild, medium or hot" war ich mit "medium" aber etwas übermotiviert.
Kurz vor zwölf heute kommt der Marinero vorbei und fragt, wann ich denn den Platz räumen würde, der Nächste warte schon. Also raus zum Ankerplatz, der ist auch ziemlich voll. Drei Anläufe und drei Schnorchelgänge brauche ich, um einen Sandfleck zwischen den ganzen Felsplatten zu finden, in dem sich der Anker auf 6m Tiefe vergräbt.
Am Strand ist Badebetrieb, erstaunlich freizügig machen die einen FKK und die anderen BKK. Eine blonde Señora schwimmt hinter meinem Boot lang und versucht mit mir per Gesten und - auf die Entfernung schwer zu verstehendem - spanisch zu kommunizieren. Ich kann die empfangenen rudimentären Informationen auf zwei völlig verschiedene Arten interpretieren:
A: "Verschwinde hier, Du bist zu dicht am Strand, ich rufe die Polizei!"
B: "Gib mir Deine Telefonnummer und laß uns zusammen vom Strand in Richtung Sonnenuntergang fahren!"
Ich tippe auf B, aber breche die Kommunikation aus Angst vor den Konsequenzen - und weil ich sie auf die Entfernung nicht deutlich erkennen kann - lieber ab.
22. Oktober, La Graciosa (E)
Vom Playa de las Mujeres motore ich bis zum Puerto Calero, wasche Wäsche, das Schiff und mich, esse Napfschnecken und trinke craft beer. Und empfange meinen neuen Mitsegler Robert. Der kann u.a. das Großfall einschäkeln, ohne die drei Stufen am Mast hochklettern zu müssen. Da er nur eine Woche bleibt, fällt die Wahl der Strecke auf die beliebte Inselumrundung und wir kreuzen mit 3 Bft. nach Arrecife und gestern hoch bis La Graciosa. Die Bahia Francesa ist knackevoll, wir reparieren, spazieren und harpunieren (wenig).
25. Oktober, Marina Rubicon (Lanzarote, E)
Von La Graciosa butterfliegen wir mit gutem Wind um die Südwestspitze von Lanzarote und - zack - isser weg. Der Schwell von fast 2m ist allerdings noch da, deshalb wählen wir den schwellgeschützten Ankerplatz vor Playa Papagayo und fahren mit dem Dinghy in die obendrauf gelegene Ausflugsgaststätte, die einen mittelmäßigen Sangria ausschenkt.
Gestern wird nur ein bißchen um die lanzaröse Südostecke nach Norden in die Bahia Quemada gekreuzt, da serviert die Strandkaschemme eine durchaus genießbare Paella Marisco.
Und heute wieder zurück in die Marina Rubicon, denn für morgen sind Crewwechsel und Motordurchsicht. angesetzt. Lanzarote umrundet!
28. Oktober, Isla de Lobos (E)
Nachdem Robert alles ordentlich geputzt hat, zieht Hagen mit umfangreicher Kite- und Angelausrüstung ein. Der Wind verspricht allerdings keine großen Sprünge.
Der Motormechaniker (der gleiche wie vor 9 Jahren) macht die Durchsicht, kann aber keine Erklärung für den Kühlwasserverlust finden.
Nach einem Abendessen mit 4 anderen deutschen Booten in der "Bar One" verabschiede ich mich von der NAGO, die den Winter auf Lanzarote verbringen und dann ins Mittelmeer abbiegen wird. Der letzte Gefährte von Greifswald bis hierher. Die anderen - COYA, PLAN B und THALASSA (genau die) - sind aber alle mehr westlich orientiert, da treffe ich bestimmt jemanden wieder.
Gestern segeln wir bei noch gutem Ostwind das kleine Stückchen zur Isla de Lobos, ankern und machen unter Zuhilfenahme des zuvor reparierten Außenborders (ständig ist bei den Dingern eine Düse im Vergaser verstopft) einen Landgang. Danach ein Hühnchen-Mango-Curry.
30. Oktober 2022, Puertito de la Luz (Fuerteventura, E)
Nicht viel Wind, nicht viel Fisch. Hagen geht ständig Ausguck nach Beute, so wie Käpt'n Ahab nach Moby Dick. Die zwei Viehcher, die er bisher gefangen hat, sind so klein und häßlich, daß er sie wieder rein wirft.
Wir hangeln uns erneut an der Ostküste Fuerteventuras runter nach Südwesten für den Absprung nach Gran Canaria. Zwischen den Inseln soll wieder der allseits beliebte NE wehen.
02. November 2022, Arguineguin (Gran Canaria, E)
Der NE weht sauber, wir schaffen die 50nm nach Las Palmas in 7h, also mit einer Durchschnitts-geschwindigkeit von 7kn, inklusive aufankern und anlegen, das ist sogar sehr sauber!
Meine Freunde von der FORTUNA haben dem Hafenzerberus einen Liegeplatz für uns (wenigstens für eine Nacht) abgerungen, diesen Sonntag startet nämlich der erste Schwung der ARC und dementsprechend voll ist es hier. Für eine warme Dusche, einen Ausflug in die nächste Ferreteria (leider heute geschlossen wegen Halloween) und einen Einkauf im SPAR sowie einen Besuch der Sailor's Bar inklusive Pulpoverzehr reicht uns das.
Auch gestern pustet uns der NE entlang der Ostküste Gran Canarias bis zum Kap Maspalomas, dann öffnet sich die Düse und der Wind ist schlagartig weg. Was uns zum Ankern nur recht sein kann. Wir braten uns reichlich Secreto Iberico und machen Caponata, deshalb geht es heute nur 4nm bis in den nächsten Ort, da kenne ich das Vertriebsrestaurant der lokalen Fischereigenossenschaft, das ist sehr schlicht und sehr gut.
06. November 2022, Las Galletas (Teneriffa, E)
Arguineguin hat übrigens einen Stadtstrand mit phänomenaler Aussicht auf das hießige Zementwerk, dessen beste Zeiten seit dem Bauboom vor 30 Jahren wohl vorbei sind.
Von Puerto Mogan motoren wir am Freitag 2,5h aus dem Windschatten Gran Canarias, dann schlägt der NE zu und wir tauschen die Genua gegen die Fock und binden zwei Reffs ins Großsegel. Ab nach Teneriffa! Fünf Stunden später rauschen wir vorbei an dem häßlichen Hafen von San Miguel nach Las Galletas, da ist ja immer viel freier Platz. Heute nicht. Der diensthabende Bürodrache läßt uns abblitzen. Das heißt 3nm gegen 5Bft. zurück nach San Miguel motoren. Ohne zu wissen, ob da noch etwas frei ist, denn dort kann man sich nur per email anmelden. Aber wir haben Glück.
Insbesondere Hagen, denn von hier ist es nicht weit nach El Medano, dem Kite-Hotspot der Insel. Und Wind der Stärke 5 gibt's obendrauf. Da kann er seinem Hobby frönen.
Der nahegelegene Flughafen bringt heute neue Gäste an Bord, in diesem Falle Maman. Die ist morgens bei 4°C gestartet und mit den hier herrschenden 24°C sehr zufrieden.
Nachmittags versuchen wir erneut einen Frontalangriff auf Las Galletas, vorher keine email und keine Funkanfrage, einfach rein und vor den Steg gestellt. Klappt, der Drache hat sonntags frei, der Marinero weist uns einen von mehreren freien Plätzen zu.
10. November, Santa Cruz de La Palma (E)
Vor drei Tagen sind wir in die Straße zwischen Teneriffa und La Gomera gefahren, wenig Wind, viel Dünung (4m?) und viele Pilotwale. Vor der NW-Ecke Teneriffas gibt es eine Bucht oder vielmehr einen kleinen Einschnitt in der 200m hohen, dramatischen Steilküste. Dort haben die Ausflugskats Moorings ausgelegt, die wir in der Nacht für unsere Zwecke nutzen. Es schaukelt zwar, aber der (gekaufte) Thun schmeckt trotzdem.
Hagen muß zum Flieger nach La Palma, die 53nm absolvieren wir bei leichtem NE in 9h.
Gestern wollen wir per Mietwagen eine Inselrundtour machen, wegen des neuesten Vulkanausbruchs im Westen wird die aber nicht rund, denn der Lavastrom hat die Straße unterbrochen und auch ein paar Häuser tiefergelegt. Wir schaffen es aber rechtzeitig zurück zum Flughafen und danach noch zum Roque de los Muchachos mit über 2.400 Höhenmetern. Das ist Hochgebirge, da muß man entsprechende Kleidung und geeignetes Schuhwerk tragen.
12. November, San Sebastian (La Gomera, E)
Santa Cruz de La Palma ist eine gemütliche Stadt, insbesondere durch die noch erhaltene Geschäftsstraße und die Hafenmeile mit den schicken Balkonen. Unter einem davon bietet man Bacalao mit Rotkraut an, das ist eine neue Kombination. Aber sehr gut, man muß das Rotkraut nur nicht klassisch deutsch machen.
Ein bißchen spachteln und waschen, dann kann es schon wieder zurück gehen mit bestem Wind nach La Gomera, erstmals an die Südküste, die erstaunlich wild und schön und buchtig und leider auch etwas schwellig ist. Unterwegs kommt die Angelleine in den rotierenden Propeller des Windgenerators, jetzt ist sie um 50m kürzer und um einen Köder ärmer. Grrrr ...
Am Ankerplatz gibt es vor wilder Geräusch- und Kulisse eine (getrüffelte) Maronencremesuppe von auf La Palma am Wegesrand selbst gesammelten Früchten. Menge und Arbeitsaufwand sind beträchtlich, wir können sogar noch 3 Gläser einkochen. Mit Fischgläsern scheint es ja nichts zu werden ...
15. November, San Miguel (Teneriffa, E)
Maman ist weg, zurück ins kalte Berlin. Auch hier werden die Nächte kühler, unter 20°C, auch ich muß weg. Dazu soll nächste Woche Christoph kommen und mit mir auf die Kapverden segeln, die liegen in den Tropen. Ich habe also eine knappe Woche Zeit, um alles vorzubereiten und zu prüfen. Große Maßnahmen stehen nicht an, die Werft muß noch einen Dieseltank tauschen, mittlerweile (nach über einem halben Jahr!) gibt es wohl einen neuen, aber sie schaffen es nicht rechtzeitig, den hierher zu schicken und montieren zu lassen.
Da Christoph gelernter Gourmet ist und artgerecht gehalten werden muß, haben wir gestern aufopferungsvoll stundenlang Weine und Feinkost probiert und auch erworben.
16. November, hinter dem Montaña Roja (Teneriffa, E)
Als single hander bevorzuge ich die kurzen Wege, z. B. 3,5nm in die Ankerbucht hinter dem Montaña Roja, eine knappe Stunde mit Ablegen und Ankern. Gestern bin ich auch schon dagewesen, mit der Gehhilfe über Land, um mir ein Bild der Lage zu machen, hat länger gedauert und war anstrengender. Aber ich muß raus aus dem Hafen, die haben bis Sonntag keinen Platz, komplett ausgebucht.
Vom Boot aus kann man schnorcheln und sich den Anker und das Unterwasserschiff ansehen, auch das Bugstrahlruder, dabei fällt auf, daß von den zwei dort verbauten Propellern nur noch einer Flügel hat. Oh, oh ... Habe sofort einen Ersatz per Express in Bremen nachbestellt, da hat Christoph ganz schön zu schleppen.
Der Teide ist gut zu sehen und die Flugzeuge vom nahegelegenen Aeropuerto sind gut zu hören. Die FKK-ler am Strand sind dagegen nur schemenhaft zu erkennen.